“Die große Illusion”: Claus Rudolph

So ist das nicht, wie wir sie erwarten, eine Fotografie, nicht wahr?

Nah, sehr nah an einer Momentaufnahme des überaus barocken Ken Russell (Gothic, The Devils) oder des dialektischen und in Bildern schwelgenden Fellini.

Konstruiert, arrangiert, gestaltet, dabei auf die richtige Präsenz und Position jeder einzelnen Figur achtend, auf die exakte Haltung der Körper und ihrer Körperteile, auf die richtige Handhabung der Geste, die während des Klicks auszuführen und zu vollbringen ist, auf den genauen Ausdruck der Gesichter, welche ihre Rolle durch die Wirkung ihrer Blicke, ihres Lächelns, ihrer Grimassen und ihres Aussehens spielen. In einer Stimmung, die ohne Töne und ohne Worte, reglos, sich intensiv in jeglicher Einzelheit widerspiegelt, welche in diesem Moment vom Blick mit einbezogen wird.

Gleichermaßen ungewöhnlich könnte einem die Verwendung von Kostümen und Orten, die eher wie ein Kinoset erscheinen, vorkommen, die gleichzeitige Anwesenheit von unzähligen Komparsen, jeder von ihnen so detailliert charakterisiert, so akribisch und kunstfertig „er selbst“ als wären sie aus einem Film entnommen.

Muss sich nun auch die Kunst die „genetischen“ Fragen des Kinos stellen? Sich fragen, inwieweit es zum Beispiel, richtig wäre, den Regisseur/Künstler als einzigen Autor des Films/Werkes zu erachten, nicht nur als einen verbindenden Faktor aller Elemente, die dabei mitwirken, einen Film/ein Werk herzustellen.

Aber dies ist, um beim Thema zu bleiben, eine andere Geschichte ….

Bleibt nur die Tatsache, dass ich es vorziehe, ihn, Claus Rudolph, einen Regisseur zu nennen. Weil ich darüber hinaus sicher bin, dass sich das Kino strukturelle Anleihen am eigenen Format seitens der Fotografie erlauben kann – wie sie es im Übrigen schon beharrlich tut – einer Kunst, die zwar unbeweglich, aber, wie es scheint, vorzüglich (und allem zum Trotz) in der Lage ist, Tempo, Möglichkeiten und Empfindungen einer Kunst beizubehalten, die hingegen sich bewegt und die Szene wechselt.

In seinen Scripts ist Rudolph in der Lage Drama und Satire, Humor  und Provokation, Gefühl und Leichtigkeit zusammenleben zu lassen, sie anordnend im Zeichen eines stabilen und dynamischen Gleichgewichts, unermüdlich in seiner Fähigkeit die zirzensische und visionäre Unwahrscheinlichkeit aufsehenerregender Zaubersprüche festzuhalten, unmöglicher Bruchstücke einer Wirklichkeit, wenn nicht jener chaotischen, vermischenden, wundervollen und satten aus den Märchen, die die Vorstellung manchmal liebt zu erzählen.

Insbesondere falls – und wenn – jene Vorstellung sich entschließt, zur zügellosen Improvisation des Traums zu greifen, dann wird die Darstellung, wieder einmal, zur Tochter der siebten Kunst:

„Der Film bietet seltsamerweise als Produkt das magischste der Konsumgüter an und das sind die Träume” (M. McLuhan).

“Wenn das Kino nicht dafür geschaffen ist, die Träume zu übersetzen oder all das, was im bewussten Leben verwandt ist mit dem Reich der Träume, dann existiert das Kino nicht”  (A. Artaud).

Rudolph versteht es, die großartigen Manöver traumhafter Wachzustände in Szene zu setzen, verziert bis an die Grenze zum Kitsch, er weiß den Archetyp eines von Träumen und Erinnerungen vierhändig geschriebenen Tagebuchs zu gestalten, wechselnd von Momenten aufsehenerregenden Schauspiels über Absinthdünste im Stile des Moulin Rouge zu festlichen Ausflügen studentischer Zusammenkünfte in Multicolor.

Der Künstler …. der Regisseur, sagten wir, erzählt uns ohne Fehler sein fantastisches Ich, indem er uns erlaubt jenseits einer Kamera innezuhalten, die damit beschäftigt ist, die wunderbare Welt des Claus Rudolph einzufangen, die funkelnde Energie der Orte, welche Formen und Absichten unwirklicher Schärfe widerspiegeln, ein bisschen glamourös und ein bisschen geziert, der Illusionen, erschaffen aus der Vorstellungskraft, aus dem Gedächtnis und aus im Traum erzählten Geschichten.

Rudolph, sei er Künstler oder Regisseur, Autor oder verbindender Faktor, ist in der Lage perfekte Simulationen des leuchtenden, lodernden und strahlenden Kosmos zu zeigen welcher, wenn nicht die Vorstellungskraft, es schafft uns zu verblüffen, uns, die wir schauen, uns, die wir einer Show, die schlussendlich weit entfernt ist von jeglicher leidenschaftslosen Folgerichtigkeit, unsere aufrichtige und spontane Zustimmung entgegenbringen.

Elena Stefano ©

You may also like

Back to Top